Was ist Notwehr ?

 

 

 

 

 

 

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Notwehr ist ein Begriff der Rechtssprache und bezeichnet – ungeachtet bestimmter konzeptioneller Unterschiede in den einzelnen Rechtsordnungen – die strafrechtliche und zivilrechtliche Unbedenklichkeit von schädigenden Handlungen, wenn sie zur Abwehr eines Angriffserfolgen und gegen den Angreifer bzw. einen Dritten gerichtet sind.

Das Notwehrrecht leitet sich seit altersher aus dem römischen Rechtsgrundsatz Vim vi repellere licet ab (Gewalt darf mit Gewalt erwidert werden), im modernen Sprachgebrauch wird oft die Grundsatzformel „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ (auch Rechtsbewährungsprinzip genannt) gebraucht. Damit soll einerseits das Notwehrrecht überhaupt begründet werden. Es ist aber auch bereits ein erster Grundsatz festgehalten: Es ist einem Angegriffenen grundsätzlich gestattet, sich mit Gewalt zu wehren, auch wenn ihm eine Flucht als „mildestes Mittel“ der „Notwehr“ möglich wäre; er kann sich also wehren und braucht nicht zu weichen.

Deutschland

Rechtslage

Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (vgl. § 227 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 2 Strafgesetzbuch, § 15 Abs. 2 OWiG).

Eine Notwehrhandlung, die diesen gesetzlichen Kriterien entspricht, ist ein gerechtfertigter Eingriff in die Rechtsgüter des Angreifers und damit kein strafbares Unrecht. Sämtliche Individualrechtsgüter (etwa die unter § 34 StGB aufgeführten Rechtsgüter Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum) werden vom Notwehrparagraphen abgedeckt. Nicht notwehrfähig sind Angriffe auf Rechtsgüter der Allgemeinheit, weil die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung allein Aufgabe der zuständigen staatlichen Organe ist und sonst das staatliche Gewaltmonopol untergraben würde. Die einzige Ausnahme hierzu stellt das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG dar. Da dem Notwehrrecht das oben genannte Rechtsbewährungsprinzip zu Grunde liegt, erfolgt hier grundsätzlich keine Rechtsgüterabwägung. Lediglich bei einem krassen Missverhältnis der Rechtsgüter (Beispiel unten: Junge, der Äpfel stiehlt) darf das Notwehrrecht nicht angewandt werden.

Notwehrlage

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Notwehrhandlung ist eine Notwehrlage in Form eines gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs.

Als ein solcher Angriff gilt jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen (Rechtsgüter) durch menschliches Verhalten.

Ein Angriff ist gegenwärtig, sobald diese Bedrohung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Maßstab für das „unmittelbare Bevorstehen“ ist hier die Wertung des § 22 StGB (Versuch).

Umstritten ist, ob rechtswidrig bedeutet, dass ein eindeutiger Widerspruch zur Rechtsordnung erkennbar sein muss oder ob bereits eine Rechtsgutbedrohung ausreicht, die der Angegriffene nicht zu dulden hat.

In jedem Falle entfällt die Rechtswidrigkeit des Angriffs immer dann, wenn zugunsten des Angreifers selbst ein Rechtfertigungsgrund eingreift (etwa Notwehr oder Notstand). Wenn bspw. ein Angegriffener eine Sache eines Dritten zuhilfe nimmt, um einen tätlichen Angriff gegen seine Person abzuwehren, darf der Dritte seinerseits nicht dem Angegriffenen die Sache wegnehmen. Für den Dritten liegt keine Notwehrlage vor, da die Verwendung und ggfs. Beschädigung der Sache durch den Angegriffenen aufgrund dessen Notwehrlage gerechtfertigt ist. Eine Notwehr gegen eine Notwehrhandlung ist nicht möglich.

Notwehrhandlung

Mit Notwehrhandlung bezeichnet man die Handlung, die der Verteidiger zur Abwehr des Angriffs vornimmt. Notwehr berechtigt nur zur erforderlichen Verteidigung (Erforderlichkeit). Eine erforderliche Verteidigung ist die mildeste aller möglichen, die geeignet ist, den Angriff sicher und endgültig zu beenden.

Der Notwehrübende hat zwar das relativ mildeste Mittel zu wählen, muss sich allerdings nicht auf Risiken bei der Verteidigung einlassen. Ebenso wenig ist er zu einer schimpflichen Flucht verpflichtet, da das Recht dem Unrecht nicht weichen muss. Eine Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter findet – anders als beim rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB – nicht statt. Das heißt, dass der in Notwehr Handelnde keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen muss.[1] So muss beispielsweise niemand eine Körperverletzung hinnehmen, falls diese nur durch eine tödliche Abwehrhandlung zu verhindern ist. Eine Ausnahme hiervon gilt nur bei dem sogenannten krassen Missverhältnis. So darf beispielsweise ein Obstdiebstahl (jedenfalls durch deliktunfähige Kinder) nicht mit tödlichem Schusswaffengebrauch vereitelt werden. Bereits der Diebstahl mittelwertiger Gegenstände darf nach herrschender Meinung jedoch mit einer tödlichen Abwehrhandlung vereitelt werden, sollten mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen.[1]

Ein Blick in die Historie zeigt, dass das Recht auf Notwehr nicht zu jeder Zeit selbstverständlich war. Einer der einschneidendsten, am intensivsten untersuchten und dokumentierten Fälle von Notwehr mit tödlichem Ausgang für den Angreifer ereignete sich 1805 im damaligen Schlesien: ein einschlägig bekannter und dem Strafvollzug zuvor entflohener Räuber namens Exner starb beim versuchten Einbruch in eine einsam gelegene Mühle durch einen Messerstich des anwesenden Müllers. Das preußische Landrecht enthielt infolge des geistigen wie juristischen Absolutismus des preußischen Obrigkeitsstaates keine klaren Festlegungen über das Recht auf Notwehr. Im Deutschland jener Zeit war die Anerkennung der Notwehr in den meisten Fällen ganz in das Ermessen der verhandelnden Richter oder in die Gnade der jeweiligen Landesherren gelegt. Daher musste in einem langwierigen Prozess geklärt werden, inwieweit in diesem besonderen Einzelfall das Recht auf Notwehr angewandt werden konnte. Der nachfolgende Prozess um den Tod des Räubers Exner führte nach längerer Dauer unter dem Druck der Öffentlichkeit und der äußeren Verhältnisse (vor allem der Französischen Revolution) eine intensive, kontrovers geführte Diskussion unter den führenden Rechtsgelehrten der Zeit herbei, die schließlich in die noch heute gültigen Formulierung der Notwehr im deutschen Recht mündete. Dieser Fall war so bedeutend und hatte schon seinerzeit so weitreichende Konsequenzen, dass er bereits in den „Neuen Pitaval“ Aufnahme fand. Die Befürworter eines verbrieften Rechtes auf Notwehr verwiesen auf die Abwesenheit der Obrigkeit in Notwehrfällen und postulierten die noch heute gültigen bürgerlichen Rechte und Regularien. Die Gegner betonten die Möglichkeit des Missbrauchs und die Verletzung des staatlichen Gewaltmonopols. Die Diskussion darüber dauerte bis in die jüngste Zeit an; die Definition des Notwehrexzesses und dessen zeitweilige Strafbewehrung sind Beleg dafür.

Abwehr

Die Notwehr darf sich nur gegen den Angreifer richten. Werden andere in die Notwehrhandlung einbezogen, so kommen lediglich andere Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe (z. B. Notstand) in Betracht.

Verteidigungswille

In der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur wird neben dem Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 32 StGB auch ein subjektives Rechtfertigungselement, der Verteidigungswille, als Voraussetzung der strafbefreienden Notwehr für erforderlich gehalten.

Ganz vereinzelt finden sich in der Literatur heute noch Stimmen, die diesen für entbehrlich halten. Diese Ansicht wird aber überwiegend abgelehnt.

Es entspricht der Stellung der Rechtfertigungsgründe im Verbrechensaufbau, das im Tatbestand enthaltene Unrecht vollständig auszuschließen. Der Tatbestand weist als Unrechtselemente (zumindest im Bereich der Erfolgsdelikte) Handlungs- und Erfolgsunrecht aus, das bedeutet, sowohl in der eigentlichen (Abwehr-)Handlung als auch im Effekt (Erfolg) der Handlung liegt ein (grundsätzlich strafbares) Unrecht. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der Notwehr sowohl Handlungs- als auch Erfolgsunrecht aufgehoben werden müssen, denn bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes kommt eine Strafbarkeit nicht in Betracht. Wenn man aber davon ausgeht, dass es keines subjektiven Rechtfertigungselements bedarf, so bliebe es in den typischen Fällen (vgl. Beispiel) bei einer Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs. Der tatbestandliche Erfolg wäre zwar gerechtfertigt, nicht aber die ursächliche Handlung. Aus der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ergibt sich damit, dass grundsätzlich ein subjektives Rechtfertigungselement zu fordern ist.

Beispiel: Wer einen flüchtenden Dieb niederschlägt, ohne zu wissen, dass die Person ein flüchtender Dieb war, kann sich mangels Verteidigungswillen nicht strafbefreiend auf Notwehr berufen, auch wenn objektiv eine Notwehrsituation vorliegt.

Uneinheitlich wird allerdings beurteilt, welche Anforderungen an ein subjektives Rechtfertigungselement zu stellen sind und welche Rechtsfolgen das Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements nach sich zieht.

Anforderungen an das subjektive Rechtfertigungselement

Die Rechtsprechung sowie Teile der Literatur verlangen einen zielgerichteten Verteidigungswillen. Begründet wird das unter anderem mit dem Wortlaut der § 32, § 34 StGB, der mit der Verwendung des Wortes „um“ einen zielgerichteten Verteidigungswillen impliziere. Allerdings muss der Wille zur Verteidigung nicht das allein bewusstseinsdominante Motiv der Handlung sein, es genügt, wenn er nicht völlig hinter den sonstigen Motiven zurücktritt.

Teile der Literatur weisen dieses Verständnis des subjektiven Notwehrelements zurück. Es ergäbe keinen Sinn, Verteidigungsabsicht zu fordern, für diese aber ausreichen zu lassen, dass sie nur nicht hinter anderen Motiven vollkommen zurücktrete. Praktisch sei damit das Erfordernis der Verteidigungsabsicht aufgegeben, das Fehlen lasse sich nie nachweisen. Daher seien alle fraglichen Fälle zugunsten desjenigen entschieden worden, der sich auf einen Rechtfertigungsgrund berief.

Ferner wird argumentiert, dass beim Vorsatz Kenntnis der strafbarkeitsbegründenden objektiven Tatbestandsmerkmale ausreicht, um vorsätzliches Handeln zu bejahen. In Anbetracht der „Spiegelbildlichkeit“ von Tatbestand und Rechtfertigungsgründen (s. o.) könne daher bei der Rechtfertigung nicht mehr verlangt werden, als das Bewusstsein der Rechtfertigungslage.

Rechtsfolgen bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass beim Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements aus vollendetem Delikt zu bestrafen ist. Für diese Ansicht sprechen systematische Erwägungen. Handelt der Täter zwar objektiv gerechtfertigt, aber ohne subjektives Rechtfertigungselement, so befindet er sich in einem umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum. Beim Erlaubnistatbestandsirrtum stellt sich der Täter irrtümlich Umstände vor, bei deren Vorliegen eine Rechtfertigung gegeben wäre. Fehlt ihm das subjektive Rechtfertigungselement, so geht er irrtümlich davon aus, dass rechtfertigende Umstände nicht gegeben sind. Ordnet man den Erlaubnistatbestandsirrtum dem § 16 StGB (in analoger Anwendung) zu, so entfällt eine Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes. Wenn nun aber die Unkenntnis einer tatsächlich nicht vorliegenden Rechtfertigungslage den Täter nicht belastet, so könne ihn umgekehrt die Unkenntnis einer tatsächlich objektiv gegebenen Rechtfertigungslage nicht entlasten.

Teile der Literatur widersprechen dem. Man müsse bedenken, dass zwar eine rechtlich missbilligte Handlung vorgenommen wurde, nicht aber ein rechtlich missbilligter Erfolg eingetreten ist. Diese Lage entspreche der beim (untauglichen) Versuch, man müsse daher eine Versuchsstrafbarkeit (und nicht eine vollendete Deliktstrafbarkeit) annehmen.

Zudem sei es nicht richtig zu behaupten, dass der sich im Erlaubnistatbestandsirrtum befindliche Täter vollkommen entlastet werde. Es werde zwar seine „rechtstreue“ Motivation insofern prämiert, als keine Vorsatzstrafbarkeit in Betracht komme. Der tatbestandliche Erfolg begründe aber unter Fahrlässigkeitsgesichtspunkten einen Ansatzpunkt für eine Strafbarkeit. Diese Differenzierung müsse konsequent auch im Umkehrschluss durchgehalten werden. Der objektiv gerechtfertigte Erfolg könne nicht strafbegründend in Ansatz gebracht werden, wenn das subjektive Rechtfertigungselement fehlt. Zwar bleibe die „in die Tat umgesetzte“ rechtsfeindliche Betätigung; hier erscheine es jedoch systematisch vorzugswürdig, einen untauglichen Versuch anzunehmen (der tatbestandliche Erfolg kann aufgrund objektiver Rechtfertigungslage nicht rechtswidrig erfüllt sein).

Beispiel: Der oben genannte Täter, der den flüchtigen Dieb niederschlägt, ohne von dessen Diebeseigenschaft Kenntnis zu haben, begeht eine Körperverletzung, die er nicht mit dem Argument der Notwehr rechtfertigen kann. Jedoch erwartet den Täter nur eine Bestrafung für die versuchte Körperverletzung, denn der rechtliche Erfolg (also die rechtswidrige Körperverletzung des Flüchtigen) tritt nicht ein, weil sie durch die objektiv vorliegende Notwehr gerechtfertigt ist. Obwohl also der Täter dem Dieb eine Verletzung zugefügt hat, war diese nicht rechtswidrig und folglich kann er auch nicht für den vollendeten Delikt, sondern nur für den Versuch bestraft werden.

Putativnotwehr

Bei der Putativnotwehr handelt es sich um eine vermeintliche Notwehrlage (von latein putare = glauben), siehe dort.

Nothilfe

Bei der Abwendung von Angriffen auf einen Anderen spricht man von Nothilfe. Dabei ist zu beachten, dass eine Staatsnothilfe, also eine Nothilfe zu Gunsten der Interessen der Allgemeinheit, grundsätzlich unzulässig ist. Auch muss staatliche Nothilfe zu Gunsten eines Beteiligten (etwa Niederschlagen des Angreifers, damit er vom Opfer ablässt) zusätzlich den öffentlich-rechtlichen Anforderungen für ein polizeiliches oder ein ähnliches Eingreifen genügen (vgl. Eingriffsermächtigung).

Die Nothilfe hat dieselben Rechtsfolgen wie die Notwehr, zudem darf durch Nothilfe nicht in die Rechte des Angegriffenen eingegriffen werden.[2]

Notwehrprovokation

Ein Sonderfall liegt vor, wenn der Angegriffene die Notwehrlage selbst (etwa durch Provokation des Angreifers) entweder mit Vorsatz oder auf andere Weise herbeigeführt hat. In diesem Fall spricht man von einer Notwehrprovokation.

Die Rechtsprechung geht gegenwärtig davon aus, dass in diesem Falle dem Provokateur zumindest das Ausweichen zumutbar ist, der Grundsatz, dass das Recht dem Unrecht nicht weichen müsse, also nicht zur Anwendung kommt. Dogmatisch wird dies entweder über die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Gebotenheit oder – wie auch sonst im Rahmen der gebotenen Verteidigung – über die möglichen „sozialethischen Einschränkungen des Notwehrrechts“ begründet.

Daneben wird im Schrifttum auch eine Strafbarkeit aus einer actio illicita in causa erörtert. Diese Rechtsfigur will ähnlich wie die actio libera in causa darauf abstellen, dass die Notwehrlage ursprünglich (in causa) nicht gegeben war, so dass die Notwehrhandlung in causa rechtswidrig (illicita) gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof hat eine derartige Strafbarkeitsausdehnung früher strikt abgelehnt, teilt mittlerweile jedoch partiell die Position der Literatur.[3]

Einer weiteren Auffassung zufolge bleibt das volle Notwehrrecht auch bei „provozierten“ Angriffen bestehen, da alleine die Tatsache, dass die Notwehrsituation durch eine Provokation entstanden ist, nicht dazu führen kann, dass man sich nicht mehr gegen gegenwärtige, rechtswidrige Angriffe zur Wehr setzen darf.

Notwehrexzess

Intensiver Notwehrexzess

Überschreitet der Verteidiger das Maß der Notwehr, mithin die Erforderlichkeit seiner Abwehrhandlung, so liegt ein intensiver Notwehrexzess vor. Der Verteidiger handelt in diesem Fall rechtswidrig, kann aber dennoch straflos bleiben, wenn er aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (den sog. asthenischen Affekten) handelte. Entgegen dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 33 StGB) handelt es sich nach rechtswissenschaftlich wohl herrschender Meinung[4][5] um einen Entschuldigungsgrund und nicht bloß um einen persönlichen/subjektiven Strafausschließungsgrund. Nach beiden Ansichten ist jedoch eine strafbare Teilnahme an der Exzesshandlung möglich (vgl. § 29 StGB).

Wird der Täter hingegen von sthenischen (kraftvollen) Affekten wie Wut, Zorn, Kampfeseifer, Eifer- oder Eigengeltungssucht zu einem intensiven Notwehrexzess hingerissen, haftet er grundsätzlich voll. Ihr Hinzutreten schadet jedoch der Feststellung von asthenischen Affekten und der Anwendung von § 33 StGB nicht, wenn es sich um ein Motivbündel handelt.

Auf der Ebene einer Strafzumessungsregel können jedoch vereinzelt Fälle sthenischer Affekte berücksichtigt werden wie etwa Zorn bei Totschlag (vgl. § 213 StGB).

Dogmatisch ebenfalls bei den Entschuldigungsgründen abgesiedelt, aber gegen den Notwehrexzess abzugrenzen sind der „entschuldigende Notstand“ und der „übergesetzlich entschuldigende Notstand“.

Extensiver Notwehrexzess

Ein extensiver Notwehrexzess ist eine qualitative Überschreitung der Notwehr, so dass die Notwehrvoraussetzungen bereits nicht vorliegen und der Täter voll haftet, etwa Exzess in der Wahl der Mittel (Erforderlichkeit) oder die Verteidigung weiterer, aber nicht notwehrgeschützter Rechtsgüter oder die zeitlich nicht gebotene Verteidigung (Rechtzeitigkeit).

Wenn es an der Gegenwärtigkeit eines Angriffs fehlt und der zu seiner Verteidigung Entschlossene sich darüber hinwegsetzt, ist nach herrschender Meinung § 33 StGB nicht anzuwenden. Vielmehr sei hier zwischen zwei Fallgruppen zu differenzieren:[6]

  • Wenn der Angriff noch nicht begonnen hat (vorzeitiger extensiver Notwehrexzess) greift § 33 StGB nicht ein, weil die Privilegierung des Täters nur aufgrund asthenischer Affekte gewährt wird. Wer vorher zur Gegenwehr ansetzt, kann nicht die Grenzen der Notwehr überschreiten.[7]
  • Wenn aber aus einer anfangs gerechtfertigten Gegenwehr eine rechtswidrige wird, weil der Angriff zwischenzeitlich abgeschlossen ist, so handelt es sich um einen sogenannten nachzeitigen extensiven Notwehrexzess. Hier entspricht die psychische Situation der des intensiven Notwehrexzesses, sodass einer Anwendung des § 33 StGB nichts entgegen steht.[8]

→ Siehe auch Putativnotwehrexzess als Sonderfall.

Österreich

Notwehr ist in Österreich in § 3 StGB geregelt. Es ist erlaubt, sich der Verteidigung zu bedienen, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Rechtswidrige Notwehr besteht, wenn dem Angegriffenen ein geringer Nachteil droht und die Abwehrmaßnahme unangemessen ist. Unangemessene Notwehr ist gerechtfertigt, wenn sie aus Angst, Furcht oder Schrecken passiert und nicht aus Fahrlässigkeit erfolgt.

Schweiz

In der Schweiz ist Notwehr in Art. 15 StGB geregelt. Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, ist es erlaubt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren. Bei Überschreitung der Grenzen der Notwehr mildert das Gericht die Strafe (Artikel 16 Absatz 1: Notwehrexzess). Wird die Grenze der Notwehr jedoch in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff überschritten, so entfällt die Schuld, und der Angegriffene bleibt straflos (Artikel 16 Absatz 2 StGB: entschuldbarer Notwehrexzess).

Siehe auch

Weblinks

  • § 32 StGB Juristische Prüfung der Notwehr (deutsches Recht)